eisgras 162Frohen Mutes machte sich Larissa zum Weiher auf. Die Schuhe liefen sich leicht und unbeschwert. Großvater hatte ganze Arbeit geleistet. Jetzt sollte die Andere nur kommen. Doch keine halbe Stunde später standen wieder alle im Kreis und in ihrer Mitte tanzte Anastasia.

„Großvater, die Schuhe fahren immer noch nicht richtig! Du musst sie noch einmal schärfen.“

Großvater drehte die Schlittschuhe verwundert nach allen Seiten. Am nächsten Tag das gleiche Spiel. Die Menge verfolgte gebannt jede Bewegung Anastasias. Larissa hingegen fuhr allein am Rand und grummelte.

Sie hatte genug, wollte sich nicht mehr zum Narren machen.

„Großvater! Die Schuhe sind dermaßen stumpf, damit würde ich selbst bei tauendem Eis hinfallen. Du musst sie endlich ordentlich schärfen!" Der Alte drehte und wendete die Schuhe vor den Augen, schüttelte erst den Kopf, doch als seine Enkelin weiter auf ihn einredete, hob er nur die Schultern und machte sich ans Werk.

Der nächste Morgen. Das Wetter war unwirtlich. Es schneite und der Wind pfiff um das Haus. Väterchen Frost schleuderte jedem, der sich vor die Tür traute, Eiskristalle ins Gesicht. Larissa drückte frohlockend die Nase an die Fensterscheibe und wäre um ein Haar angefroren. Bei diesem Wetter konnte sie die Schlittschuhe in Ruhe ausprobieren ohne dass jemand sie beobachtete. Flugs griff sie sich Mantel, Mütze, Schal und Handschuhe, nahm die blitzenden Eisen und stemmte sich gegen den Nordwind. Sie hatte Recht behalten, der See lag mutterseelenallein wie ein riesiger vom Schneetreiben umwobener Glasteller vor ihr. Schon mit den ersten Schritten wusste Larissa: Endlich, endlich werde ich gewinnen!  Die Schlittschuhe liefen wie von selbst. Mühelos glitten sie über die von einer Handbreit Neuschnee verborgenen Eisdecke. Jauchzend pflügte Larissa den Schnee zur Seite, lief gegen den Wind, um sich mit der nächste Drehung in rasendem Tempo von ihm schieben zu lassen. Larissa zog nun immer engere Kreise, wurde schneller und schneller. Oh, wie sie über Anastasia triumphieren würde! Die Kufen schnitten hörbar ins Eis, jedes Kunststück schien möglich. Weiter, Runde um Runde, malte sie sich den nächsten Tag aus, drehte eine Pirouette nach der anderen.

Da krachte und knirschte es plötzlich unter ihr und ehe sie sich versah sank sie auf einer großen Scheibe in den Fluten. Schnell hechtete sie vor und klammerte sich mit aller Kraft an den Rand. Ein Glück, dass ich das Schwimmpferdchen gemacht habe, dachte sie nur. Dabei würde ihr auch das nicht viel nutzen. Rasend hatte das eisige Wasser all ihre Sachen durchdrungen, sie wurden schwer und schwerer. Noch schlimmer waren jedoch die eisernen Schlittschuhe die wie Blei an ihr hingen und sie unbarmherzig in die Tiefe zogen. Starr vor Angst und Kälte klammerte sich Larissa an den Rand des Loches. Schon nach kurzer Zeit konnte sie sich kaum noch bewegen. 

 

Ihr schwanden schon fast die Sinne, da spürte sie plötzlich Halt unter den Füßen. Verwundert sah sie an sich herab und gewahrte ein gelbes Leuchten im Wasser. Als sie wieder aufsah, streckte sich ihr eine Hand entgegen und zog sie mit kräftigem Schwung heraus. Larissa landete wie ein Fisch auf dem Eis und zappelte sogleich vor Kälte. Sie konnte es nicht fassen, denn der sie da gerettet hatte war niemand anderes als Anastasia!

„Bist du denn verrückt, was machst du denn völlig allein auf dem Weiher?“, rief diese.

„Ich, ich wollte doch nur üben.“, stammelte Larissa. Frost schob sich in sie, durchwirkte alle Kleider und verwandelte sie in Eis. Jeden Moment würde sie erfrieren. Da fühlte sie sich erneut emporgehoben. Anastasia hatte sie sich mit aller Kraft auf die Schulter gehievt. Als ihr schon vor Kälte die Sinne schwanden, glaubte Larissa einen goldenen Fisch zu sehen, der ihr aus dem Eisloch nachschaute. Er war also der Grund unter den Füßen gewesen. Hoffentlich habe ich ihn nicht mit meinen Kufen geschnitten, dachte sie noch bange, während sie davongetragen wurde. Larissa träumte während der 10 Minuten im Schneesturm vom warmen Ofen der Großeltern. Sie glaubte zu spüren wie er ihre vereisten Kleider wärmte. Dann glaubte sie die Wärme der Person zu spüren, die sie dem Ofen näherbrachte. Als Anastasia mit ihrer schweren Last auf den letzten Metern auf die Knie fiel, sich wieder aufrappelte, um das halbgefrorene Bündel weiterzuschleppen, schien es Larissa, als wärmten diese Hände sogar mehr als der Kachelofen daheim.

Man mag sich das Theater vorstellen als die beiden bei Larissas Großeltern eintrafen.

Man stelle sich das Haare raufen, die Fragen, Schelte, Vorwürfe und die Strafe vor, die Larissa ereilte. Man mochte die Ohren und das Buch nur schnell schließen und nichts mehr davon hören. Doch dann sieh die Freude der Großeltern, ihre Enkelin wiederzuhaben und das wog alles andere wieder auf. Und noch ein Wunder war geschehen. Wann wird schon der ärgste Feind ein Freund? Wer es nicht glaubt, der hätte nur dabei sein müssen, damals, als nach einer Woche Fieberbett Larissa Hand in Hand mit Anastasia aus Werst die Schlittschuhe aufblitzen ließ, dass den Zuschauern vor Staunen fast die Augen rausfielen. 

-Ende-

 ©Malabin

illustriert von LydiaS

 

 

Frhlingsfee m

 

 

 

 

 

 

Larissas Frühling